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Kalenderblatt aus dem Stadtarchiv RK 7/23

26.07.2023 |

Pferdestall, Beamtendomizil, Gotteshaus. 250 Jahre Haus der Frau von Stein

Das Haus der Frau von Stein auf einem Aquarell von Adolph Nöther, 1910.Das Haus der Frau von Stein auf einem Aquarell von Adolph Nöther, 1910.Das Haus der Frau von Stein auf einem Aquarell von Adolph Nöther, 1910. ©Foto: Maik Schuck / Stadtmuseum Weimar

Im Jahr 1773, vor 250 Jahren, wurde am südlichen Rand der Stadt ein ‘barocker Pferdestall‘ für das Husarenkorps fertiggestellt, errichtet im Auftrag der Landesverwaltung durch den umtriebigen Bauunternehmer und herzoglichen Hofjäger Anton Georg Hauptmann (1735 – 1803). Bereits 1612 war die Liegenschaft in herzoglichen Besitz gekommen, doch reicht ihre Bebauung noch viel weiter zurück: Vorgängerbauten an dieser Stelle sind als „Stiedenvorwerk“ schon seit 1371 nachgewiesen, also noch vier Jahrhunderte älter als der heutige Bau. Der Ausbau des Obergeschosses für Wohnzwecke könnte mit dem Schlossbrand in Zusammenhang gestanden haben. Denn dieser hatte 1774 zu großer Raumnot geführt, so dass jede Ecke, jeder Dachboden der öffentlichen Gebäude in Weimar auf ihre Tauglichkeit hin geprüft und gegebenenfalls einer höherwertigen Nutzung zugeführt wurden. Ein benachbartes, bedeutendes Beispiel solcher Umbauten ist das Fürstenhaus, das ursprünglich als Verwaltungsbau fungieren sollte und fortan dem jungen Herzog Carl August als Wohnpalais diente.

Zu den ersten Bewohnern des vormaligen ‘Militärgebäudes‘ gehörten - seit ihrer Heirat - der Oberforstmeister Moritz von Wedel (1752 – 1794) nebst Frau, Herzogin Louises Hofdame Marianne von Wöllwarth-Essingen (1750 – 1815). Diese wohnten in dem der Ilm zugewandten Ostflügel. Auf der anderen Gebäudeseite, im der Stadt zugewandten Westflügel, hatte schon zuvor der Oberstallmeister Josias Freiherr von Stein (1735 – 1793) mit kinderreicher Familie sein Domizil gefunden. Der enge Austausch zwischen der Gattin des zuletzt Genannten, Charlotte Freifrau von Stein, geb. von Schardt (1742 – 1827), und Johann Wolfgang von Goethe sollte das Haus für alle Zeiten als „Haus der Frau von Stein“ berühmt werden lassen. Dass eine in den 1990er Jahren bei Sanierungsarbeiten freigelegte Verbindungstür zum Nachbarhaus, in dem Goethe zeitweilig eine Nebenwohnung hatte, von den beiden heimlich genutzt worden sei, gehört allerdings ins Reich der vielen schönen „Geschichtchen“, die man sich gern erzählt, ist aber ebenso falsch wie die an der Mal- und Zeichenschule auf der Gedenktafel nachzulesende Behauptung, Goethe hätte dort ein Zeichenatelier gehabt.

Dass das Haus äußerlich bis heute kaum Veränderungen erfuhr, ist angesichts der oft wechselnden Nutzungen in späteren Zeiten recht erstaunlich und wohl auch mit dem Respekt zu erklären, den man den klassischen Stätten entgegenbrachte. Interessant und gewissermaßen ein Ausdruck der Toleranz im Weimar des 19. Jahrhunderts ist die Einrichtung einer russisch-orthodoxen Kapelle für die Großherzogin Maria Pawlowna, die ihre Religion weiterhin ausübte. Viele prominente Bewohner und Gäste sah das Haus in den Jahrhunderten seines Bestehens – bis hin zu dem Bauhausmeister Lothar Schreyer (1886 – 1966) oder Marlene Dietrich (1901 – 1992), die hier im Spätsommer und Herbst 1921 lebte, etwas später zum Weltstar wurde und sich lebenslang an ihr „liebes Weimar“ erinnerte.

Das hier als Abbildung gezeigte Kunstwerk konnte das Stadtmuseum Weimar unlängst für die Sammlung erwerben.